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Verein Neutrale Sicht Schweiz

Corona: Der späte Triumph des Totalitären

„Vergangenheitsbewältigung“ ist als Fachbegriff ohne Übersetzung sogar in anderen Ländern geläufig. Deutschland galt als Musterbeispiel dafür, wie sich ein Land mit den Schrecken der eigenen Geschichte auseinandersetzen kann. Und die nötigen Lehren aus diesen zieht. Jetzt, in der Krise, stellt sich heraus: Es war eine Potemkinsche Vergangenheitsbewältigung. Die zum Ritual erstarrt ist und dabei das Wesentliche aus den Augen verloren hat. Dushan Wegner schrieb einmal sinngemäß: Die Deutschen verhalten sich wie jemand, der bei Rotlicht von einem braunen Lastkraftwagen überfahren wurde, und nun gegen alles Braune ankämpft – statt generell für die Einhaltung von Straßenverkehrsregeln.

Das Grundproblem ist, dass die Ritualisierung so weit gegangen ist, dass die völlig falschen Schlüsse aus unserer Vergangenheit gezogen werden. Infantile, schwarz-weiße. Bei einer Vielzahl von Menschen herrscht entweder die Vorstellung, die Deutschen seien 1933 von Hitler als Verkörperung des Bösen verführt worden. Und/oder dass dann damals eine Mehrheit sich entschied, auf die Seite des Bösen umzuschwenken. Beides ist psychologisch betrachtet ebenso eine Abspaltung wie die inzwischen zum Mantra gewordene Interpretation des 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung. Was nahelegt, gut 60 Millionen Deutsche wären 1945 allesamt Hitler-Gegner gewesen und hätten sich befreit gefühlt. Leider war es eben nicht so. Und viel spricht dafür, dass eine Mehrheit sich weniger befreit fühlte als besiegt. Aber solche unangenehmen Aspekte verdrängt man lieber.

Hetze gegen Andersdenkende

Wäre die Vergangenheitsbewältigung geglückt und hätten Politiker und Journalisten in ihrer überwiegenden Mehrheit die Lehren aus den Schrecken der deutschen Geschichte gezogen, dann wäre ihnen klar, dass das politisch Böse stets im Gewand des Guten daherkommt. Dass Hitler die Deutschen eben nur verführen konnte, weil viele zu seinem autoritären und totalitären Denken neigten. Dass es die Ablehnung von anderen Meinungen war, die zur Hetze gegen Andersdenkende führte und dann zu den Konzentrationslagern. Dass eine der wichtigsten Lehren aus der Geschichte sein muss, Menschen mit anderen Meinungen nicht auszugrenzen, nicht zu diffamieren, sondern sie in den demokratischen Diskurs einzubinden. Dass heute genau das Gegenteil in Deutschland geschieht, dass die Regierenden dabei nicht nur aktiv mitmachen, sondern genau das anheizen, ist ein später Triumph Hitlers und seiner Mitverbrecher.

Ebenso groß ist das Versagen im Bereich Menschenrechte. Wie die Corona-Krise zeigt, sind sie für viele Politiker und Journalisten nur etwas für Sonntagsreden. Nicht nur Heiko Maas erdreistet sich, sie als „Sonderrechte“ für diejenigen in Aussicht zu stellen, die brav den staatlichen Vorgaben folgen und sich impfen lassen. Dass solche Ungeheuerlichkeiten ausgerechnet von jemandem kommen, der von sich behauptet, wegen Auschwitz in die Politik gegangen zu sein, ist an Tragikomik kaum zu überbieten. Nicht mal dadurch, dass Maas regelmäßig mit dem Iran kuschelt, der die Juden in Israel vernichten will und in der UNO regelmäßig gegen den Juden-Staat stimmen lässt.

Grundrechte sind nicht für Sonntagsreden und fette Jahre da. Die Väter des Grundgesetzes haben sie so fest in der Verfassung verankert, damit eben nicht morgen entfesselte Politiker sagen können, eine große Gefahr mache es erforderlich, sie aufzuheben. Genauso wie das Hitler tat, der ja auch vorgab, sie nach dem Reichstagsbrand temporär außer Kraft zu setzen, weil die Gefahren angeblich zu groß waren. Um der heute üblichen Hyperventilation bei Journalisten und Politikern vorzubeugen: Das ist keine Gleichsetzung. Die wäre absurd und sträflich. Aber es ist ein Verweis darauf, dass Grundrechte heilig sein müssen, wenn wir auch nur etwas aus dem Dritten Reich und dem Kommunismus gelernt haben wollen. Dass sie nicht unter Hinweis auf eine abstrakte Gefahr außer Kraft gesetzt werden. Und Corona ist zwar eine konkrete Gefahr für die Risikogruppen; aber angesichts der Tatsache, dass es keine Übersterblichkeit gibt und Länder wie Schweden ohne Grundrechts-Einschnitte nicht in eine Katastrophe schlittern, ist Corona keine Grundlage dafür, den Menschen faktisch alle ihre Grundrechte zu nehmen.

Menschenrechte als Privilegien

Die Bundesländer planen bereits „Zentralstellen für Zwangseinweisung“, um „Quarantäne-Brecher“ wegzusperren (siehe hier). In einer sich via Medien gegenseitig hochschaukelnden Freiheits-Begrenzungs-Orgie, die durch Angst und Hysterie befeuert wird, gelten die Grundrechte als lästiges Hindernis, das man im Sinne des vermeintlich höheren Gutes ausschalten muss. Wie so oft in den finsteren Zeiten der Geschichte. Genau diesen Fall wollten die Väter unseres Grundgesetzes aus ihren schrecklichen Erfahrungen heraus um jeden Preis vermeiden. Ihre Ur-Enkel, aufgewachsen im als ewig angenommenen Zustand von Wohlstand, Frieden und Demokratie, haben jegliche Wachsamkeit verloren und geben heute die Freiheit, für die einst Millionen Menschen gestorben sind, in vorauseilendem Gehorsam auf. Sie degradieren die Menschenrechte zu „Privilegien“, die sie braven Bürgern verteilen wie Eltern ihren Kindern Lutscher geben. Und allzu viele Menschen spielen das autoritäre Spiel freudig mit.

Corona zeigt: Große Teile von Politik, Medien und Gesellschaft haben Demokratie nie wirklich begriffen. Sie ist für sie immer eine äußere Fassade geblieben, ein Ritual. Anders wäre die Ausgrenzung und Diffamierung von Andersdenkenden im Namen der „Demokratie“ und die bei Personen wie Söder und Lauterbach fast schon wollüstige Freude am Abschaffen von Grundrechten und die Akzeptanz bei einer Mehrheit dafür nicht zu erklären. Die finsteren Urkräfte, die nicht typisch deutsch sind, aber bei uns doch besonders ausgeprägt, die wir für überwunden hielten – sie sind wieder da. Wieder treten sie in Deutschland besonders heftig zum Vorschein. Wieder ist der Gehorsam besonders groß und vorauseilend, das Hinterfragen besonders gering und verdächtig, der bürokratisch-technische Eifer, ja Erfindungsreichtum beim Durchsetzen, Übertreiben, ja Pervertieren von Maßnahmen deutlich größer als anderswo. Der Lack von 75 Jahren Pluralismus ist weg. Ja selbst der von 300 Jahren Aufklärung splittert. Was wir gerade erleben – auch in den USA – ist der späte Triumph des Totalitären. Gnade uns Gott!

Zum Tod von Gunnar Kaiser

Gunnar Kaiser war Schriftsteller und Philosoph.
Seine Bücher "Der Kult" (Rubikon Verlag) und
"Die Ethik des Impfens" (Europa Verlag) wurden zu Bestsellern.
Sein Roman »Unter der Haut« (Berlin Verlag / Piper Verlag)
wurde bislang in sechs Sprachen übersetzt.
Kaiser ist Mitgründer der Online-Akademie »Symposium«.
In den letzten Jahren (vorallem während der Corona-Kriese) war er immer
Ankerpunkt und Leuchtturm in einer immer chaotischer werdenden Zeit.
Nun ist seine Stimme für immer verstummt. Am 12. Oktober ist er gestorben.
Im Andenken an seine Beträge hier eine kurze Liste seiner herausragenden Beiträge